
Kaum ein Thema sorgt derzeit für so viel Diskussion wie der Vorschlag, in Deutschland einen gesetzlichen Feiertag zu streichen. Wirtschaftsexperten, Gewerkschaften und Politik liefern sich eine Debatte, bei der es nicht nur um Geld, sondern auch um gesellschaftliche Grundwerte geht. Wie sehr bringt ein zusätzlicher Arbeitstag tatsächlich die Wirtschaft voran?
Und was bedeutet das für den Alltag der Beschäftigten? Während einige darin eine notwendige Maßnahme für die Zukunft sehen, warnen andere vor negativen Folgen für die Gesundheit und Motivation der Menschen. Die Diskussion wirft Fragen auf, die nicht nur ökonomischer, sondern auch sozialer Natur sind – und die wohl noch lange nicht abschließend geklärt sind.
1. Eine Idee, die polarisiert

Der Vorschlag, in Deutschland einen Feiertag abzuschaffen, hat eine breite Debatte ausgelöst. Während einige darin eine pragmatische Lösung sehen, um wirtschaftliche Herausforderungen besser zu bewältigen, halten andere dies für einen unnötigen Eingriff in die Arbeitskultur. Besonders in Zeiten von Fachkräftemangel und steigenden Staatsausgaben suchen viele nach neuen Wegen, das Arbeitsvolumen zu erhöhen, ohne die Menschen zusätzlich zu belasten.
Doch kann ein einzelner Feiertag tatsächlich den gewünschten Effekt bringen? Und ist die wirtschaftliche Rechnung wirklich so eindeutig, wie manche behaupten? Die Meinungen gehen weit auseinander – zwischen Hoffnung auf mehr Wachstum und Angst vor einem Verlust wichtiger Ruhezeiten.
2. Milliarden durch einen Werktag

Laut Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) könnte ein zusätzlicher Arbeitstag bis zu 8,6 Milliarden Euro zum Bruttoinlandsprodukt beitragen. Dabei variieren die Schätzungen je nach Berechnungsmethode zwischen fünf und 8,6 Milliarden Euro.
Grundlage ist entweder eine kalenderbereinigte Auswertung oder die Umrechnung früherer Erfahrungen wie beim Wegfall des Buß- und Bettags. Ein zusätzlicher Arbeitstag würde laut IW bis zu 0,2 Prozent des BIP ausmachen. Dieser Wert klingt beeindruckend, doch er basiert auf idealisierten Annahmen. Kritiker fragen: Ist dieser finanzielle Nutzen wirklich nachhaltig – oder nur eine kurzfristige Steigerung?
3. Die symbolische Wirkung

Für IW-Experte Christoph Schröder geht es nicht nur um Zahlen, sondern auch um ein Zeichen: Die Abschaffung eines Feiertags soll die Bereitschaft zeigen, mehr zu leisten, angesichts des demografischen Wandels. Schröder betont, dass in Zukunft mehr Menschen in Rente gehen als in den Arbeitsmarkt nachrücken.
Weniger zu arbeiten könne daher nicht die Lösung sein. Ein zusätzlicher Arbeitstag sei ein symbolischer Schritt, der deutlich macht, dass Deutschland aktiv auf den Fachkräftemangel reagieren müsse. Doch ob ein solcher Schritt tatsächlich die nötige Wirkung erzielt – oder eher Widerstand erzeugt – bleibt offen.
4. Unterschied zwischen Sommer und Winter

Interessant ist die Frage, welcher Feiertag überhaupt gestrichen werden sollte. Laut IW mache es einen großen Unterschied, ob der Tag im Sommer oder im Winter liegt. Im Winter stehen viele Bauprojekte ohnehin still – daher wäre der wirtschaftliche Effekt dort begrenzt.
Im Sommer hingegen ist die Produktivität höher, und ein zusätzlicher Werktag könnte mehr konkreten Nutzen bringen. Die Entscheidung ist also nicht nur politisch, sondern auch saisonabhängig. Gleichzeitig bleibt das Problem bestehen, dass Feiertage in Deutschland Ländersache sind – eine Vereinheitlichung wäre kompliziert umzusetzen.
5. Dänemark als Vorbild?

Die Idee, einen Feiertag abzuschaffen, ist nicht neu. In Dänemark wurde der „Store bededag“ bereits zu einem regulären Arbeitstag erklärt – zur Finanzierung der Verteidigungsausgaben. Für Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrats, ist dieses Modell ein Beispiel für Deutschland.
Sie sieht darin eine Möglichkeit, staatliche Krisenlasten ohne neue Schulden zu bewältigen. Auch Clemens Fuest vom ifo Institut begrüßt diesen Ansatz. Er verweist auf den Mangel an Arbeitskräften und warnt davor, neue Ausgaben auf eine ohnehin ausgelastete Wirtschaft zu werfen. Ein Feiertag weniger könne helfen, das Arbeitsangebot leicht zu steigern.
6. Kritik von Gewerkschaftsseite

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hält von der Idee überhaupt nichts. Ein gestrichener Feiertag, so DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel, sei kein Wachstumsbooster, sondern ein Eingriff in die Erholungsphasen der Beschäftigten. Feiertage seien ein fester Bestandteil der Arbeitskultur, die zur langfristigen Gesundheit und Produktivität beitrügen.
Zudem würden viele Menschen ohnehin unbezahlte Überstunden leisten, was eine zusätzliche Belastung durch Wegfall eines Feiertags als unangemessen erscheinen lässt. Mehr Arbeit bringt nicht automatisch mehr Leistung, so die Kritik. Vielmehr müsse über bessere Arbeitsbedingungen und faire Verteilung gesprochen werden, statt an den freien Tagen zu sparen.
7. Arbeitskräfte statt Arbeitszeit

Clemens Fuest verweist auf einen weiteren Punkt: Die derzeitige Wirtschaft sei ausgelastet, und der Arbeitskräftemangel mache es schwer, zusätzliche Nachfrage zu bedienen. Deshalb sei es sinnvoller, das Arbeitsangebot insgesamt zu erhöhen, statt allein auf mehr Arbeitszeit zu setzen.
Dazu könne auch die Streichung eines Feiertags beitragen, um mehr Kapazität zu schaffen – vor allem in Bereichen, in denen hoher Personalbedarf besteht. Gleichzeitig mahnt er, dass dieser Schritt nur Teil eines größeren Pakets sein könne. Ohne Bürokratieabbau, Fachkräftezuwanderung und gezielte Förderung reiche ein einzelner zusätzlicher Arbeitstag nicht aus, um nachhaltige Effekte zu erzielen.
8. Zwischen Wachstum und Belastung

Am Ende bleibt die Frage: Wie viel bringt ein Feiertag weniger – und wem? Die wirtschaftlichen Berechnungen sind vielversprechend, doch sie stehen im Kontrast zu sozialen und kulturellen Bedenken. Während Unternehmen und einige Wirtschaftsexperten auf höhere Produktivität hoffen, sehen Gewerkschaften und Beschäftigte eine Gefahr für das Gleichgewicht zwischen Arbeit und Erholung.
Es geht nicht nur um Geld, sondern auch um Wertschätzung, Belastungsgrenzen und Lebensqualität. Die Diskussion zeigt, wie schwierig es ist, wirtschaftliche Effizienz und soziale Fairness in Einklang zu bringen. Eine Entscheidung wird daher nicht nur rechnerisch, sondern auch gesellschaftlich zu bewerten sein.