
Gesundheit ist keine reine Frauensache – doch genau diesen Eindruck bekommt man, wenn man in Arztpraxen oder Kliniken blickt. Auffällig häufig sind es Frauen, die sich um die medizinischen Belange ihrer Männer sorgen. Prof. Dr. Marion Kiechle, Direktorin einer Frauenklinik, macht eine interessante Beobachtung: Es sind nicht die Männer selbst, die den ersten Schritt machen – es sind ihre Partnerinnen. In ihrer täglichen Arbeit erlebt sie, wie besorgte Frauen Termine vereinbaren, Fragen stellen und medizinische Bedenken äußern – nicht für sich selbst, sondern für ihren Partner.
Diese Dynamik offenbart ein tieferliegendes gesellschaftliches Problem: Männer verdrängen oft ihre gesundheitlichen Beschwerden, scheuen Arztbesuche oder nehmen Symptome nicht ernst genug. Die Gründe dafür reichen von klassischen Rollenbildern bis zu Unwissenheit. Doch gerade das frühe Erkennen von Krankheiten kann Leben retten. Warum Männer zu lange warten, was Partnerinnen bewirken können und welche Rolle Aufklärung spielt – all das zeigt das Beispiel aus Kiechles Klinikalltag.
1. Männergesundheit bleibt oft unbeachtet

In der Öffentlichkeit wird selten über Männergesundheit gesprochen – dabei ist das Thema hochaktuell. Viele Männer nehmen Symptome nicht ernst, warten zu lange oder scheuen sich, medizinische Hilfe zu suchen. Oftmals herrscht der Irrglaube, dass Beschwerden „von allein wieder verschwinden“. Genau diese Einstellung führt jedoch dazu, dass Krankheiten wie Prostatakrebs oder Herz-Kreislauf-Probleme häufig erst spät erkannt werden.
Prof. Dr. Kiechle betont in der Talkshow, wie oft Männer sich zu spät untersuchen lassen – und manchmal nur auf äußeren Druck hin. Dieser fehlende Zugang zur Vorsorge ist nicht nur gesundheitlich gefährlich, sondern belastet auch das Gesundheitssystem unnötig. Es ist höchste Zeit, dass Männer lernen, ihren Körper ernst zu nehmen, und sich frühzeitig ärztlich betreuen lassen.
2. Frauen sind oft die treibende Kraft

Laut Prof. Kiechle fällt auf: Es sind auffällig oft Frauen, die medizinische Hilfe für ihre Männer suchen. Sie rufen an, machen Termine aus, stellen gezielte Fragen und bringen sogar Laborwerte mit. Das zeigt nicht nur Fürsorge, sondern auch die wichtige Rolle, die Frauen in der Gesundheitsprävention ihrer Partner einnehmen.
Viele Männer scheinen erst dann aktiv zu werden, wenn ihre Frau es ihnen nahelegt – oder schlicht für sie handelt. Diese familiäre Dynamik eröffnet eine Chance: Wenn Frauen als Gesundheitsbotschafterinnen agieren, können sie Männer motivieren, Symptome ernst zu nehmen. Gleichzeitig ist es ein Armutszeugnis für das Bewusstsein vieler Männer. Gesundheit darf keine Delegationsaufgabe sein, sondern muss zur Selbstverantwortung werden.
3. Das Rollenbild des starken Mannes

Ein Grund für das Vermeidungsverhalten liegt im klassischen Rollenbild: Der Mann als starker, unverwundbarer Beschützer. Diese stereotype Vorstellung führt dazu, dass viele Männer sich Schwäche nicht eingestehen wollen – auch nicht gesundheitlich. Ein Arztbesuch wird als Eingeständnis gesehen, dass „etwas nicht stimmt“.
Das Problem: Diese Haltung ist überholt – und gefährlich. Prof. Kiechle macht deutlich, dass gesundheitliche Achtsamkeit kein Zeichen von Schwäche, sondern von Verantwortung ist. Besonders jüngere Männer zeigen sich hier zunehmend reflektierter. Doch die Prägung durch das „Indianer kennt keinen Schmerz“-Denken ist nach wie vor tief verwurzelt. Ein offenerer Umgang mit körperlichen Grenzen würde helfen – nicht nur dem einzelnen Mann, sondern auch seinem familiären Umfeld.
4. Vorsorge ist keine Altersfrage

Oft glauben Männer, dass Vorsorge erst ab einem gewissen Alter notwendig sei – ein gefährlicher Irrtum. Viele Krankheiten entwickeln sich schleichend und bleiben jahrelang unbemerkt. Wer zu spät reagiert, verliert wertvolle Zeit für eine erfolgreiche Behandlung. Kiechle rät, sich früh mit dem Thema auseinanderzusetzen – nicht erst, wenn Symptome auftreten.
Regelmäßige Checks beim Hausarzt oder Facharzt sind entscheidend, um Risiken frühzeitig zu erkennen. Dabei geht es nicht nur um Krebs oder Herzprobleme – auch psychische Belastungen, Schlafstörungen oder Stresssymptome gehören auf den ärztlichen Tisch. Gerade jüngere Männer können sich hier aktiv schützen und langfristig gesünder leben. Früherkennung rettet Leben – und sie beginnt nicht erst mit 60.
5. Kommunikation als Schlüssel

Ein zentrales Problem in vielen Beziehungen ist das Schweigen über Beschwerden. Männer sprechen seltener offen über Schmerzen, Ängste oder körperliche Veränderungen. Frauen hingegen nehmen subtile Veränderungen oft früher wahr – sei es ein blasser Teint, ein verändertes Essverhalten oder anhaltende Müdigkeit.
Prof. Kiechle beschreibt in der Talkshow, wie viele Partnerinnen sensibler für solche Signale sind als die Männer selbst. Hier braucht es einen Kulturwandel in der Partnerschaft: Gesundheitsfragen müssen Platz im Alltag haben, ohne Scham, ohne Tabu. Denn je früher Probleme angesprochen werden, desto besser lässt sich helfen. Wer offen über Schwächen sprechen kann, zeigt Stärke – nicht das Gegenteil.
6. Die medizinische Versorgung muss mitdenken

Ein überraschender Befund aus der Praxis von Prof. Kiechle: Häufig sind es die Frauen, die sich um die Gesundheit ihrer Männer sorgen – nicht die Männer selbst. Viele Frauen rufen an, schreiben E-Mails oder kommen in die Klinik, um sich nach typischen Symptomen, Untersuchungen oder Therapien für ihre Partner zu erkundigen. Diese Entwicklung sei besorgniserregend, denn sie zeigt, wie sehr Männer gesundheitliche Verantwortung an ihre Partnerinnen abgeben.
Dabei muss die Gesundheit jedes Einzelnen in eigener Hand liegen. Wenn Männer ihre Vorsorgetermine von anderen organisieren lassen oder Beschwerden ignorieren, riskieren sie nicht nur ihre Gesundheit, sondern auch das Vertrauen ihrer Familien. Prof. Kiechle wünscht sich, dass Männer erkennen: Sich kümmern heißt nicht Schwäche zeigen – sondern Stärke beweisen. Wer frühzeitig handelt, lebt oft länger und gesünder – auch für seine Liebsten.
7. Wenn Hilfe zur Überforderung wird

Damit sich langfristig etwas ändert, muss gesundheitliche Aufklärung früh ansetzen. Prof. Dr. Marion Kiechle betont, wie wichtig es sei, Jungen bereits im Schulalter für ihren Körper und dessen Signale zu sensibilisieren. Themen wie Vorsorge, Ernährung und seelisches Wohlbefinden sollten selbstverständlich in den Bildungsplan aufgenommen werden. Nur wer früh erfährt, dass Gesundheit keine Privatsache ist, sondern Fürsorge braucht, wird im Erwachsenenalter verantwortungsvoller handeln.
Zudem fordert Kiechle, dass auch Familien ihren Teil beitragen: Eltern sollten mit ihren Söhnen genauso offen über körperliche Symptome sprechen wie mit ihren Töchtern. Derzeit erleben Ärzte oft das Gegenteil – viele Jungen wachsen mit dem Gefühl auf, Schwäche nicht zeigen zu dürfen. Dabei liegt in dieser Offenheit die größte Stärke. Gesundheitliche Bildung ist nicht nur Frauensache – sie ist ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag.
8. Der Weg in eine gesunde Zukunft

Damit Männer gesundheitlich besser aufgestellt sind, braucht es einen gesellschaftlichen Wandel. Es genügt nicht, dass Frauen Alarm schlagen – Männer müssen lernen, selbst Verantwortung zu übernehmen. Dabei geht es nicht nur um einzelne Arztbesuche, sondern um ein grundsätzlich neues Verständnis von Männlichkeit. Wer auf seinen Körper hört und rechtzeitig medizinische Hilfe in Anspruch nimmt, zeigt Stärke und Weitsicht, nicht Schwäche.
Vor allem junge Männer sollten früh für Prävention sensibilisiert werden. Schulen, Medien und Ärzte können mithelfen, das Tabu zu brechen. Auch prominente Vorbilder, die offen über ihre Krankheiten sprechen, helfen dabei. Prof. Kiechle betont, wie wichtig es ist, Männer mit zielgerichteter Kommunikation und niedrigschwelligen Angeboten zu erreichen. Nur wenn Gesundheit als Teil eines aktiven, selbstbestimmten Lebens verstanden wird, kann sich langfristig etwas ändern – für Männer, ihre Familien und die Gesellschaft.