Gab es Körperhygiene und Gesundheitsvorsorge während der Kolonialzeit?

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Duschen, Zähneputzen, Haare kämmen und Rasieren gehören zur täglichen Körperhygiene in den westlichen Industrienationen, zumindest bei den meisten Menschen. Das sind nur die wesentlichen Hygienemaßnahmen, die heutzutage üblich sind, denn es gibt noch viele zusätzliche Möglichkeiten. Die wenigsten Menschen können sich vorstellen, ohne diese tägliche Routine auszukommen.

Im 18. Jahrhundert, während der Kolonialzeit, sah es ganz anders aus. Damals waren die heutigen Maßnahmen noch unvorstellbar und die Menschen hatten eigenartige und teilweise unappetitliche Vorstellungen von Hygiene und Gesundheitsvorsorge. Heute verbringen wir viel Zeit damit und es fällt uns um so leichter, wenn wir an die damaligen zum Teil unverstellbaren Zustände denken.

1. Kirche und Körperhygiene hatten eine Verbindung

Reinheit war in der damaligen Kirche nicht nur für das Gewissen wichtig, sondern auch für den Körper. Wer als rein und gläubig gelten wollte, durfte am Sonntag in der Kirche nicht fehlen und begab sich in den Beichtstuhl zu Beichte. Selbstverständlich erschien man gewaschen und sauber gekleidet in der Kirche.

Dreck und Schmutz wurden oft mit Sünde und dem Teufel gleichgestellt. Ein reinlich wirkender Mensch, der sich in sauberer Kleidung zeigte, galt auch moralisch eher als ein guter Mensch und war deshalb nicht in der Lage, Böses zu tun. Wer nicht der westlichen Zivilisation entsprach wurde zum christlichen Glauben bekehrt.

2. Für Frauen war Körperhygiene gefährlich

Frauen lebten gefährlich während der Kolonialzeit, vor allem, wenn sie alleinstehend oder allein unterwegs waren, ohne den Schutz eines Mannes. Das betraf vor allem Frauen aus dem einfachen Volk. Besser situierte Damen lebten in abschließbaren Häusern und reisten in beschützten Kutschen. Allerdings waren auch Verehrer manchmal unerwünscht.

Um sich vor Übergriffen von Männern zu schützen, badeten und wuschen sich die Frauen eine Zeit lang einfach nicht. Der Körpergeruch und nicht gewaschene Kleidung sollten aufdringliche Männer abschrecken und unerwünschte Verehrer vertreiben. Dass die Frauen durch das nicht Waschen Ungeziefer, wie Läuse, in Kauf nahmen, lässt erahnen, wie wichtig Selbstschutz war.

3. Ein Wannenbad war ungesund

Heutzutage gehört Körperpflege und Körperhygiene zur täglichen Gewohnheit. Selbst öffentliche Toiletten sowie Wasch- und Duschgelegenheiten werden selbstverständlich für jeden bereitgestellt. Diesen Stellenwert hatte das tägliche Waschen im 18. Jahrhundert ganz und gar nicht.

Einige Ärzte gingen sogar gerichtlich gegen das regelmäßige Baden vor. Sie waren der Meinung, dass zu intensiver Kontakt mit Wasser die natürlichen Körperöle oder wie man heute sagt, die natürliche Schutzschicht des Körpers, zerstören würden. Das war gar nicht so verkehrt, denn heute ist erwiesen, dass zu viel und zu heiß Baden der Haut schadet und nur vom Schwitzen betroffene Körperteile intensiv, mit Seife, gereinigt werden sollten.

4. Ein Bad nur für Babys

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Damals war es üblich, morgens und abends lediglich Hände und Gesicht zu waschen. Vollbäder waren eher unüblich für die meisten Männer, Frauen und Kinder. Das hatte zwar auch damit zu tun, dass längst nicht jede Familie eine Wanne zum Baden zur Verfügung hatte, aber auch noch einige andere Gründe.

Babys wurden dagegen regelmäßig gebadet. Das hatte jedoch keine hygienischen Gründe, sondern sollte mehr zur Abhärtung und zum schnelleren Aufbau eines starken Immunsystems dienen, was ja nur in kaltem Wasser wirkt. Keine so schlechte Idee, denn auch heute noch genießen Babys offensichtlich ein Bad im Planschbecken oder werden zum ersten Schwimmkurs angemeldet.

5. Seife war nicht gut für die Haut

Heute stehen uns alle möglichen Seifenarten zur Verfügung, von der Kernseife bis zur duftenden Luxusseife. Davon konnten die Menschen während der Kolonialzeit nicht einmal träumen. Die gängige Seife war ein Gemisch aus dem Fett von Tieren und Asche. Damit veränderte sich die Oberflächenspannung des Wassers und Verschmutzungen ließen sich leicht lösen und entfernen.

Das Seifengemisch wurde auch aus medizinischer Sicht empfohlen. Mangelnde Hygiene war damals oft der Grund für Hautprobleme, denn Schweiß und Talg sind eine gute Grundlage für Bakterien und Ungeziefer. Das effektive Seifengemisch wurde auch zum Wäschewaschen und Geschirrspülen benutzt auch wenn der Seifengeruch für unsere Verhältnisse heute eher gewöhnungsbedürftig sein dürfte.

6. Gewässer ersetzten die Badewanne

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Eine Badewanne, die groß genug für einen erwachsenen Menschen war, konnten sich nur Wohlhabende leisten. Kleinere Behältnisse wirkten eher abschreckend, als dass sie zum Baden einluden. Warmes Wasser, aus der Leitung, gab es nicht. Wasser wurde im Kessel, auf dem Herd, gekocht und zu kaltem Wasser in die Wanne gegeben. Das war unbequem und zeitaufwendig.

Deshalb waren Seen, Flüsse und andere Gewässer die bevorzugten Badestätten des einfachen Mannes. Der Gebrauch von Seife war so gut wie unmöglich, denn es schickte sich nicht, ohne Unterwäsche öffentlich zu baden. Das galt besonders für Frauen. Im Winter wurde auf Baden verzichtet.

7. Kochwäsche war nicht für die gesamte Kleidung nötig

Das Waschen von Bekleidung war im 18. Jahrhundert eine anstrengende Angelegenheit. Wasser musste herangeschafft und auf einer Feuerstelle, in einem großen Holzbottich, erhitzt werden. Die Wäsche kochte darin und wurde danach, mit großem Kraftaufwand ausgewrungen, um schneller zu trocknen.

Um den Aufwand so gering wie möglich zu halten, wusch man nur die Wäsche, die hygienisch sauber sein musste, um Krankheiten vorzubeugen. Dazu zählte Unterwäsche, Schürzen, Windeln und dergleichen. Die verbleibende Kleidung, wie Decken, Jacken, Mäntel und Kleider wurde lediglich gelüftet oder ausgeklopft. Das musste ausreichen, hatte jedoch bestimmt Nachteile in Bezug auf die mangelnde Hygiene. Heutzutage ist das kaum noch vorstellbar.

8. Ungewaschene Wäsche lockt Ungeziefer an

Decken und Bettwäsche gehörten zu den Utensilien eines Haushalts, die nicht unbedingt gewaschen wurden. In den meisten Familien nutzten sogar mehrere Personen dasselbe Bett und die Bettwäsche wurde nicht gewechselt. Zusammen mit der mangelnden Körperhygiene führte das irgendwann unweigerlich zu einem Befall von Bettwanzen.

Der Kühlschrank war noch nicht erfunden und Lebensmittel verdarben schnell. Das war ein gefundenes Fressen für Fliegen und Kakerlaken. Mücken störten die Nachtruhe und ein Moskitonetz gehörte nicht unbedingt zur Ausstattung eines gutbürgerlichen Haushalts. Da wechselte so mancher lieber in die freie Natur und nächtigte am Lagerfeuer. Dort störten keine Bettwanzen und auch die Mücken blieben dem Feuer fern.

9. Frauen-Hygiene und Verhütung

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Produkte für die weibliche Hygiene, wie Tampons und viele andere, sind relativ modern, praktisch und geben den Frauen die Möglichkeit, sich körperlich frei zu bewegen. Das sah zur Zeit der Kolonialherrschaft ganz anders aus, denn es gab noch keine Erfindungen, die den Frauen Erleichterung verschafften. Sie nahmen entweder Stofftücher, die sie zurechtschnitten oder holten sich weiches Moos aus dem Wald.

Geburtenkontrolle gab es gar nicht, wenn man die meist unglücklich verlaufenden Versuche einer Abtreibung außer Acht lässt, die durch speziell gemischte Kräutertrunks ausgelöst wurde. Es gab auch organische Mittel, die helfen sollten, wie ein Tee, der aus den Genitialien eines kanadischen Biebers hergestellt wurde.

10. Perücken als Alternative zum Kopfhaar

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Läuse gehörten ebenfalls zu dem Ungeziefer, das die Menschen während des Kolonialzeitalters plagte. Haare waschen war selbst bei Männern, Frauen und Kindern der besseren Gesellschaft ebenso unbeliebt, wie jegliche Körperhygiene. Ein Bad wurde nur genommen, wenn es unbedingt nötig war.

Gepuderten Perücken wurden erfunden und kamen in Mode. Die meisten Männer und Frauen rasierten sich die Kopfhaare, um den Befall von Läusen vorzubeugen. Das hinderte die Parasiten jedoch nicht daran, sich in den Haaren der Perücken einzunisten, denn die waren perfekte Brutstätten. Da halfen auch keine Läuse-Fallen, die als Lockmittel um den Hals getragen wurden oder Pomade, die die Perücken schützen sollte.

11. Ungeziefer zu vertreiben war nicht einfach

Allein durch Waschen mit Wasser ließen sich die gepuderten Perücken der gehobenen Gesellschaft nicht von den Läusen befreien. Wer es sich leisten konnte, versuchte das Ungeziefer mit Aufgüssen aus Pflanzen, wie Bergamotte oder Lorbeerblätter sowie anderen Insekten Vernichtungsmitteln zu vertreiben.

Zu den weiß gepuderten Perücken gehörte ein weiß gepudertes Gesicht. Weißer Puder, der aus Kreide hergestellt wurde, war das Makeup der Kolonialzeit. Es deckte Hautunreinheiten bei Frauen und Männern ab, die durch fehlende Hygiene entstanden. Sehr empfindlichen Frauen konnte es passieren, dass ihnen schlecht wurde, wenn sie beim Schminken zu viel von dem Puder schluckten. Das erzeugte natürliche Blässe und minimierte den Puderverbrauch.

12. Tägliches Waschen war Gesetz

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George Washington, der 1. Präsident der Vereinigten Staaten gab während der Kolonialherrschaft seinen Soldaten den Befehl, tägliche Körperhygiene zu betreiben. Er hatte von den katastrophalen Hygiene-Zuständen in den Camps gehört. Die Bestimmungen lauteten, dass sie während des Krieges einmal in der Woche ihre Wäsche zu waschen hatten und täglich Hände und Gesicht.

Um die Soldaten-Camps zu versorgen, gab es die sogenannten „Camp-Verfolger“. Sie hielten sich in der Nähe der Soldaten auf und sorgten für die nötige sanitäre Ausrüstung, ebenso wie für Nahrung. Dabei handelte es sich vorwiegend um Frauen und ehemalige Sklaven, die sich auch um warmes Essen und um das Waschen der Uniformen kümmerten.

13. Männer gingen zum Barbier

Friseure, wie wir sie heutzutage kennen, gab es im 18. Jahrhundert noch nicht. Wenn ein Mann sich die Haare schneiden lassen wollte oder eine Rasur benötigte, ging er zum Barbier. Das Handwerk wurde meistens von sehr talentierten Schwarzen ausgeübt, die auch ohne Weiteres in der Lage waren, einen Zahn zu ziehen oder kleine Wunden zu versorgen. Dafür brauchte man keinen Arzt oder Zahnarzt.

Frauen dagegen trugen ohnehin lange Haare, die meistens einfach zusammengebunden wurden. Frisuren für besondere Festlichkeiten gab man innerhalb der Familie oder im Bekanntenkreis weiter. Ansonsten hatten die Frauen wenig Grund, sich zu rasieren, denn ihnen war es nicht erlaubt viel Haut zu zeigen.

14. Zahnpflege war nicht angesagt

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Zahnpflege war im 18. Jahrhundert eine unbekannte Wissenschaft, denn die meisten Menschen kümmerte ihre Mundhygiene wenig. Zähne putzen gehörte noch nicht zu den täglichen Gewohnheiten. Erst bei Zahnschmerzen wurde man aufmerksam und versuchte sie mit Naturheilmitteln, wie Kamille, in Form von Tee, Alkohol und Opium zu lindern.

Vorteilhaft war, dass Zucker, in der Bevölkerung, noch als weitgehend unbekannt galt, denn die kostbare Süße war während der Kolonialzeit nur für die reiche Gesellschaft erschwinglich. Das hatte zur Folge, dass schlechte Zähne ein Zeichen für Wohlstand wurden. Da ließ sich ein armer Bauer schon einmal einfallen, seine Zähne schlecht aussehen zu lassen, um sein Ansehen zu verbessern.

15. Zähne ziehen war eine schmerzhafte Angelegenheit

Wenn der Zahnschmerz allzu schlimm wurde, half nur noch das Entfernen des Übeltäters. Zahnärzte waren noch rar und nicht jeder konnte sich eine Reise zur nächstgelegenen Praxis leisten. Eine Alternative war es, zum ortsansässigen Arzt, Apotheker, Barbier oder sogar zum Schmied zu gehen, um sich von den Schmerzen befreien zu lassen.

Für den Fall, dass man auf eventuelle Zahnprobleme vorbereitet sein wollte, hatte jeder die Chance, das entsprechende Werkzeug im freien Handel zu kaufen. Die speziellen Geräte, um sich einen Zahn selber zu ziehen, wurden allerdings auch für andere Gelegenheiten benutzt. Die Nägel wurden damit gereinigt und es diente zum Sauberhalten der Ohren.

16. Toilettenhäuschen gab es immerhin

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Während der Kolonialzeit stand bereits in vielen Hinterhöfen und Gärten ein Toilettenhäuschen. Das war ein Vorteil und praktischer als die vorherigen Praktiken im Freien, jedoch hatte die Hygiene noch keine Priorität. Es war den Menschen nicht klar, was ein Mangel an Sauberkeit in Bezug auf Krankheiten verursachen kann und Umweltbelastung interessierte damals niemanden.

Klärwerke oder Sammelstellen zur umweltfreundlichen Entsorgung gab es nicht, deshalb gelangten die Fäkalien ins Grundwasser oder wurden einfach in Form von Rinnsalen in nahe gelegene Gewässer geleitet oder dort aus Behältern entsorgt. Das führte zur Verseuchung der Seen und Flüsse und hatte gravierende Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen und Tiere.

17. Epidemien waren weit verbreitet

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Mangelnde Hygiene, und die Verunreinigung des Trinkwassers durch Fäkalien und Müll sowie fehlende medizinische Erkenntnisse waren im 18. Jahrhundert sicherlich die Hauptgründe für das Entstehen von Epidemien. Impfstoffe gab es noch nicht, denn die medizinische Forschung steckte noch in den Kinderschuhen. Cholera, Thyphus, Influenza und Ruhr verbreiteten sich nicht nur in der westlichen Zivilisation. Sie wurden auch in die eingenommenen Kolonien verschleppt.

Dort wurde auch die einheimische Bevölkerung von den Einwanderern angesteckt und nahezu vollkommen ausgerottet, denn gegen die Epidemien der westlichen Zivilisation hatten sie nicht die geringste Überlebenschance. Das Immunsystem der Eingeborenen hatte keine Möglichkeit, sich gegen die fremden Viren zur Wehr zu setzen.