
Katzen gelten als feinsinnige Beobachter, als lautlose Schatten mit scharfen Augen und präzisem Gehör. Ihre Fähigkeiten faszinieren seit Jahrhunderten – aber was, wenn sie noch viel mehr können, als wir bisher dachten? Neue Forschungsergebnisse legen nahe: Katzen erschnüffeln mehr, als ihnen zugetraut wurde. Und zwar nicht nur Beute oder Artgenossen – sondern auch uns Menschen.
Dabei scheint ihr Geruchssinn gezielter und differenzierter zu sein, als man es der gemütlich schnuppernden Samtpfote im Wohnzimmer zugetraut hätte. Doch was bedeutet das für unser Verständnis der Beziehung zwischen Mensch und Tier? Und warum sorgt ausgerechnet ein Achselgeruch derzeit für wissenschaftliche Überraschung? Eine neue Studie bringt Bewegung in das Bild von der angeblich so geruchsuninteressierten Katze.
1. Katzen und Geruch – ein unterschätzter Sinn

Lange wurde angenommen, dass Katzen beim Thema Geruch vor allem auf Artgenossen fokussiert sind. Über Urin, Kot oder Hautdrüsen kommunizieren sie intensiv untereinander – markieren Reviere, erkennen Bekannte, reagieren auf Rivalen. Doch ihre Beziehung zu Menschen wurde bisher kaum unter olfaktorischen Gesichtspunkten betrachtet. Hunde, ja – die gelten als Supernasen. Doch Katzen? Eher visuell, hieß es oft.
Dabei zeigen erste Hinweise schon lange, dass Katzen Gerüche sehr wohl wahrnehmen – und gezielt einsetzen. Wer je beobachtet hat, wie lange eine Katze an einem getragenen Kleidungsstück schnuppert, ahnt: Da passiert mehr, als wir erkennen. Die neue Forschung aus Tokio liefert jetzt handfeste Beweise – und rückt den Geruchssinn der Katze endlich ins Rampenlicht. Vielleicht zu Recht.
2. Die Studie aus Japan: Der Geruchstest mit 30 Katzen

Wissenschaftler der Universität für Landwirtschaft in Tokio führten ein ungewöhnliches Experiment durch: 30 Hauskatzen bekamen Geruchsproben von Menschen vor die Nase – darunter sowohl Proben ihrer Besitzer als auch von völlig fremden Personen. Die Proben stammten aus besonders „aussagekräftigen“ Körperregionen: Achselhöhle, hinter dem Ohr, zwischen den Zehen.
Das Ergebnis war deutlich: An unbekannten Gerüchen schnüffelten die Katzen durchschnittlich 4,8 Sekunden, an denen ihrer Bezugsperson nur 2,4 Sekunden. Für die Forscher ein klarer Hinweis darauf, dass vertraute Körpergerüche schneller erkannt und verarbeitet werden. Die Stubentiger scheinen also sehr wohl in der Lage zu sein, ihre Menschen am Geruch zu identifizieren – ein Verhalten, das bislang eher Hunden zugeschrieben wurde.
3. Nase rechts, Nase links – was das über ihr Gehirn verrät

Noch spannender: Die Forscher entdeckten ein feines, bisher bei Katzen kaum beobachtetes Detail. Unbekannte Gerüche schnüffelten die Tiere zunächst mit dem rechten Nasenloch, wechselten dann beim vertrauteren Duft zum linken. Diese kleine Bewegung hat große Bedeutung – denn jede Nasenseite ist mit einer anderen Gehirnhälfte verbunden.
Das legt nahe, dass Katzen – ähnlich wie Hunde oder sogar Fische – bestimmte Informationen bewusst mit unterschiedlichen Gehirnarealen verarbeiten. Unbekanntes wird rational analysiert, Vertrautes emotional eingeordnet – so die Theorie. Diese Form der lateralen Geruchsverarbeitung eröffnet neue Einblicke in das kognitive Innenleben von Katzen, das bislang oft unterschätzt wurde. Auch ihre emotionale Bindung zu Menschen könnte dadurch neu bewertet werden.
4. Persönlichkeitsfrage: Wer schnuppert wie lange?

Ein besonders faszinierender Aspekt der Studie war die Verbindung zwischen Persönlichkeit und Schnüffelverhalten. Vor allem männliche Katzen, die von ihren Haltern als eher neurotisch beschrieben wurden, schnüffelten länger und wiederholt an jeder Geruchsprobe – unabhängig davon, ob sie bekannt oder unbekannt war.
„Pflegeleichtere“ Kater hingegen zeigten ein deutlich reduziertes Schnüffelinteresse. Bei weiblichen Katzen hingegen ließ sich kein Zusammenhang zwischen Charakter und Verhalten feststellen. Die Forscher sehen darin Hinweise darauf, dass auch emotionale Faktoren oder Stressreaktionen eine Rolle bei der Geruchswahrnehmung spielen. Es scheint also, dass nicht alle Katzen gleich riechen – und auch nicht gleich riechen wollen.
5. Hunde versus Katzen – ein Vergleich wird neu geschrieben

Hunde gelten traditionell als die Meister der Nase. Polizei, Rettungsdienste, sogar medizinische Diagnostik – überall dort, wo Geruchssinn zählt, setzt man auf sie. Katzen hingegen galten als eher geruchsfaul – ihr Revierverhalten ausgenommen. Doch die neuen Erkenntnisse rücken das Verhältnis zurecht: Auch Katzen verfügen über eine bemerkenswerte Geruchskompetenz – und nutzen sie gezielt.
Zwar sind sie weniger dressierbar als Hunde, aber ihr natürlicher Umgang mit Gerüchen ist offensichtlich differenzierter, als bislang angenommen. Für Verhaltensforscher und Tierpsychologen ergibt sich daraus eine neue Perspektive: Vielleicht ist die Katze kein Hund mit Eigenwillen – sondern ein viel komplexeres, unterschätztes Wesen mit klaren sensorischen Strategien im sozialen Miteinander.
6. Was das für Halter bedeutet

Wenn Katzen ihren Menschen am Geruch erkennen, beeinflusst das auch den Alltag. Kleidung, Bettdecken, Schuhe – überall hinterlassen wir individuelle Duftsignaturen, die für Katzen mehr sind als nur Hintergrundgeräusche. Wer also plötzlich andere Parfüms benutzt oder frisch geduscht aus dem Fitnessstudio kommt, könnte damit Verunsicherung oder Neugier bei seinem Tier auslösen.
Das erklärt auch, warum Katzen sich oft auf getragene Kleidung legen oder an Schuhen schnuppern: Sie suchen die Nähe zu vertrauten Duftmustern. Für Halter heißt das: Geruch ist ein Kommunikationsmittel, ob bewusst eingesetzt oder nicht. Wer sein Tier besser verstehen will, sollte also vielleicht weniger auf Mimik achten – und mehr auf die eigene Duftspur.
7. Noch offene Fragen: Stimme oder Geruch?

Die Studie zeigt, dass Katzen zwischen bekannten und unbekannten Menschen anhand von Geruch unterscheiden können. Doch reicht das aus, um eine bestimmte Person eindeutig zu identifizieren? Oder brauchen sie dafür zusätzlich visuelle oder akustische Reize, etwa die Stimme?
Diese Fragen sollen in künftigen Studien beantwortet werden. Fest steht: Die Kombination aus verschiedenen Sinneseindrücken spielt bei der Beziehung zwischen Mensch und Katze eine zentrale Rolle. Die Erkenntnis über den Geruchssinn ist nur ein Puzzlestück – aber ein besonders spannendes. Sie macht deutlich, dass vieles im Miteinander mit Katzen noch unerforscht ist – und dass gerade im Verborgenen oft das Wichtigste liegt.
8. Fazit: Mehr als nur niedlich – Katzen können schnüffeln

Die neue Forschung zeigt klar: Katzen sind in der Lage, Menschen gezielt am Körpergeruch zu unterscheiden. Sie verarbeiten Gerüche differenziert, nutzen dabei beide Gehirnhälften – und zeigen individuelle Reaktionen je nach Charakter. Damit erweitert sich unser Bild vom Stubentiger um eine wichtige Dimension.
Für Halter bedeutet das: Katzen nehmen uns viel bewusster und tiefgründiger wahr, als wir oft denken. Sie reagieren nicht nur auf Futter und Streicheleinheiten, sondern auch auf unsere ganz persönliche Duftsignatur. Die Katze als olfaktorischer Beziehungspartner – ein faszinierender Gedanke. Und ein weiterer Beweis dafür, dass in jedem scheinbar harmlosen Schnuppern ein kleines Wunder steckt.