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Nicht selten kam es vor, dass ich mich beim Dating dabei ertappte, wie ich zur Psychotherapeutin wurde und der Mann, welcher anfänglich noch weltmännisch und mit Elan in das Café oder in das Restaurant hinein schritt zur fortgeschrittenen Stunde mir seinen ganzen Kummer und sein Leid über die Frauen klagte und dabei völlig vergaß, dass er sich selbst gerade mit mir in einem Date befand. Ob es an meinen verträumten Augen liegt, an meiner Stärke zuhören zu können oder an meiner Zeit in der Marktforschung und den damit einhergehenden offenen Fragetechniken: irgendwie glitt das ein oder andere Date ab in eine Art Therapiestunde, in der ich mir den Schmerz der letzten Zurückweisungen durch sämtliche, scheinbar völlig narzisstische, oberflächliche und gefühlskalte Frauen anhören durfte.
1. Psychische Probleme
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Ein Mann fing dabei fast an zu weinen und beinahe hätte ich mich dazu verleitet gefühlt, ihn zu umarmen und zuzuflüstern „Sschhh, alles wird gut.“. Er erzählte mir, dass seine letzte Freundin ihn verlassen habe, kurz nachdem ihr gemeinsames Baby auf die Welt kam. Nach der Geburt sei sie sofort wieder zu ihrer Mutter gezogen. Die Schwiegermutter hätte ständig an ihm rumgemeckert, nichts hätte er seiner Ex recht machen können. Es wäre alles so schrecklich gewesen und doch sei sie immer noch die schönste Frau, die er je kennengelernt hätte. Ich hätte gerne einmal die Geschichte aus der Perspektive der Frau gehört und doch saß da ein Mann, dessen Schmerz und Wahrnehmung echt waren und der eher in eine psychotherapeutische Behandlung gehört hätte als in ein Date.
2. Geplauder
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Heute lernte ich einen Mann auf der Straße kennen. Auch das passiert noch in Deutschland, wenn auch nur sehr selten und auch nur bei Männern, die über 45 sind und einen Beruf haben, wo sie netzwerken gewohnt sind. (Schade eigentlich.) Das sind zumindest meine Erfahrungen. Jedenfalls lernte ich diesen Mann vor einer kleinen Parfumerie-Boutique kennen, aus der ich gerade herauskam. Wir kamen über dieses Geschäft ins Gespräch und hatten den gleichen Weg, so dass wir etwas im Gehen plauderten. Doch aus dem Geplauder sollte bald mehr werden.
3. Das Alter
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Nachdem er kurz mein Alter abcheckte und mich fragte, ob meine Kinder gerade im Kindergarten seien. Ich: „Nein, ich habe keine Kinder.“ Er: „Ach, dann sind Sie gar nicht verheiratet.“ Ich: „Nein.“ und mir denkend: Das ist zugleich offensiv und doch nicht zu plump – wirkt aber irgendwie auch so, als hätte der Mann keine Zeit mehr zu verlieren. Als dann jedenfalls diese 4 Häkchen gesetzt waren: sesshaft in der Stadt, berufstätig, kinderlos und unverheiratet, brach es plötzlich aus diesem Mann heraus. Erst erzählte er mir unaufgefordert seinen gesamten Werdegang vom Abitur bis zum jetzigen Job und er war über 50 wohlgemerkt. Er redete sich um Kopf und Kragen.
4. Private Dinge
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Danach, fast ohne zu atmen, (Diese Atemtechnik war wirklich beeindruckend.) ging der Redeschwall über zu den privaten Dingen. Er erzählte mir, dass er verheiratet war, aber seine Frau ihn dann verlassen hätte wegen eines glatzköpfigen Millionärs. „Ja, das war es dann, die große Liebe, dass ich nicht lache. Wegen des Geldes hat sie ihn geheiratet, wegen des Geldes hat sie mich verlassen.“ Was sagt man zu so einer Geschichte? Ich war überrumpelt von so viel unaufgeforderter Tragödie in 10 Minuten Fußweg. Das einzige was mir einfiel war: „Das tut mir leid für Sie, dass muss sehr enttäuschend gewesen sein.“ Darauf sagte er lapidar: „Das braucht Ihnen nicht leid tun, das ist jetzt 10 Jahre her.“ Stille. Ratlosigkeit. Dann er, berufliche Vorwände vortäuschend: „Ich gebe Ihnen meine Visitenkarte und sie schreiben mir eine e-mail und dann können wir schauen, ob sich berufliche Synergien ergeben und ob wir networken können. Ich freue mich, alles Liebe.“ Während des gesamten Redeschwalls hat er mich nicht einmal angeschaut. Nicht einmal geschaut, ob ich mich überhaupt dafür interessiere, nicht einmal nach meinem eigenen Befinden oder Leben gefragt.
5. Seelenschmerz
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Nicht, dass ich hier falsch verstanden werde. Auch ich kenne diesen Schmerz, kenne das Gefühl verraten und verlassen zu werden und doch dränge ich diesen Schmerz, diesen seelischen Ballast keinen fremden Menschen beim ersten Treffen auf. Dies kann überfordernd sein, wenn das Timing nicht passt oder der andere sich in einem völlig anderen Modus befindet. Was ich damit sagen will: Ehrlichkeit und Transparenz ist per se gut und Männer dürfen und sollen auch zu ihren Gefühlen stehen und dürfen Schwäche zeigen; nur muss der geballte Welt- und Frauenschmerz nicht beim ersten Kennenlernen die komplette Stimmung verhageln und die Frau verschrecken oder gar in einen Mitleidsmodus versetzen. Mein Tipp: Männer bleibt happy beim ersten Date. Vergesst mal den ganzen Scheiß der Vergangenheit und hört auf mit Schimpftiraden auf die bösen Frauen oder langatmigen Monologen oder Erfolgsstorys ohne Punkt und Komma. Vielleicht sitzt da ja eine Frau Euch gegenüber, die Lust hat auf einen wechselseitigen, angenehmen und positiven Dialog. Und wer weiß, vielleicht wird’s am Ende auch mal ein Date, wo beide herzhaft gelacht haben.
6. Ungeniertes Durchlöchern
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Während bei den seltenen Dates, die im realen Leben entstehen, die höfliche Anstandsform gewahrt wird, scheint ein Kennenlernen in einer Online-Plattform bei Männern Tür und Tor für völlig ungeniertes Durchlöchern zu öffnen. Da wird man dann auch schon einmal von einem mehr oder weniger wildfremden Mann gefragt, ob man plant, sich die Eizellen einfrieren zulassen; mit dem dezenten Hinweis es könne jetzt mal langsam knapp werden. Generell scheinen sich ja viele Männer dazu getrieben fühlen, die Fruchtbarkeit der jeweiligen Datepartnerin in irgendeiner Weise kommentieren zu müssen, wenn diese über 30 ist. Woher kommt dieses Bedürfnis eigentlich?
7. Leidiges Thema
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Ich jedenfalls kam noch nie auf die Idee, meine Dates nach dem letzten Spermiogramm zu fragen. Letztens sagte mir ein wildfremder Mann „Ah 38, dann hast Du ja mindestens noch 2 Jahre.“ Was soll ich sagen, irgendwie war dann bei mir schon die Stimmung weg. Apropos Stimmung, dieses ganzes Herumgetänzel um sexuelle Vorlieben beim ersten Date. Muss das eigentlich sein? Kann man heutzutage nicht einmal zusammen eine Pizza essen, ohne abzuklären, welche der vermeintlichen Lifestyle-Sex-Spielarten man schon gemacht hat, sich noch vorstellen könnte zumachen oder nie machen würde. (Abgesehen davon, dass man als Frau darauf eh nicht ehrlich antwortet. „Nein das habe ich noch nie gemacht, um Gottes Willen!“)
8. Hypothetische Fragen
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Die schlimmste Frage, die mir je gestellt wurde – und zwar bei einem wirklich schönen Spaziergang an der Isar und bei traumhaften Wetter – war, wie oft ich hypothetisch noch wöchentlich mit ihm Sex hätte, wenn wir hypothetisch schon 3 Jahre zusammen wären und ich hypothetisch gestresst vom Beruf und Alltag wäre. Und das von einem Mann, den ich, wohlgemerkt, zum aller ersten Mal traf. Was soll man denn um Himmels Willen auf sowas antworten? Vielleicht eine Rückfrage à la: „Stell Dir vor, wir wären jetzt hypothetisch 3 Jahre zusammen und ich hätte hypothetisch 15 Kilo zugenommen, würdest Du mir dann hypothetisch treu sein, oder hypothetisch jüngeren Frauen nachschauen?
9. Anstandsgrenzen
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An dieser Stelle möchte ich dafür plädieren, Anstandsgrenzen zu wahren. Auch wenn es irgendwie altmodisch und aus der Zeit gefallen klingen mag: Anstandsgrenzen sind eine Frage des Respekts und nicht jeder möchte eine Selbstoffenbarung vor einem wildfremden Menschen hinlegen oder gar mit einem Seelenstriptease des anderen überrannt werden.
Vielleicht ist das die wahre Romantik von heute, eben nicht alles zu fragen, was man heute theoretisch im Zeitalter des „Anything goes“ und „Sex sells“ fragen darf. Das war unsere Liste zu den unerwünschten Themen bei Dates. Vielleicht hat es ja dem ein oder anderen geholfen.