
In der Tech-Welt gelten Gründer oft als visionär, kompromisslos und getrieben. Doch was passiert, wenn ein junger CEO offen zugibt, dass bei ihm Work-Life-Balance keine Rolle spielt? Genau das sorgt seit Ende 2024 für Diskussionen rund um Daksh Gupta, den erst 22-jährigen Gründer des US-Startups Greptile. Seine Aussagen auf der Plattform X (ehemals Twitter) haben nicht nur Kritiker auf den Plan gerufen – sie liefern auch einen ungefilterten Einblick in eine extreme Gründermentalität.
Trotz des Gegenwinds scheint Gupta mit seiner Strategie Erfolg zu haben: Das Unternehmen wächst weiter, vermeldet Umsatzrekorde und sucht neue Mitarbeiter. Doch was steckt hinter der Firmenphilosophie, die Arbeitstage bis 23 Uhr und Wochenendarbeit zur Regel erklärt?
1. Der Tweet, der alles veränderte

Im November 2024 sorgte ein X-Beitrag von Daksh Gupta für Aufsehen: Darin erklärte er, dass sein Startup keine Work-Life-Balance biete. Wer sich bei Greptile bewerbe, müsse mit 80-Stunden-Wochen, Arbeit am Wochenende und extrem hohem Leistungsdruck rechnen. Gupta argumentierte, es sei nur fair, das gleich im Bewerbungsgespräch offen zu kommunizieren.
Besonders auffällig war seine offene Wortwahl: „Schlechte Arbeit wird bei uns nicht toleriert.“ Er betonte außerdem, dass diese Belastung nur vorübergehend geplant sei – in der Gründungsphase sei eine Art „Fluchtgeschwindigkeit“ nötig. Für viele klang das nach Ausbeutung, für andere nach kompromissloser Ehrlichkeit. Der Beitrag ging viral – vor allem in Foren wie Reddit.
2. Kritik, Aufmerksamkeit – und keine Reue

Die Reaktionen auf Guptas Aussagen waren deutlich: Während manche seine radikale Transparenz lobten, kritisierten viele Nutzer die unmenschlichen Arbeitsbedingungen. In Deutschland etwa wären solche Stundenmodelle klar arbeitsrechtlich unzulässig. Gupta reagierte auf die Diskussion mit einem weiteren Post – und blieb bei seiner Haltung.
Er betonte erneut, dass seine Aussagen nicht als Empfehlung gedacht seien. Vielmehr wolle er Missverständnisse vermeiden und von Anfang an ehrlich sein. Langfristig, so Gupta, wolle er eine nachhaltigere Arbeitsweise etablieren – doch jetzt sei die Hochphase. Dass sein Unternehmen seitdem weiter wächst, könnte ihn in seiner Haltung bestärken.
3. Was macht Greptile eigentlich?

Greptile entwickelt KI-gestützte Tools für Softwareunternehmen, die bei der Analyse und Verbesserung von Programmiercode helfen. Das System agiert wie ein „zweites Paar Augen“ für Entwickler. Laut eigenen Angaben setzen inzwischen über 1.000 Software-Teams auf ihre Lösungen. Das Unternehmen vermeldet ein monatliches Umsatzwachstum von 30 Prozent.
Acht feste Mitarbeiter zählt Greptile derzeit, doch die Stellenausschreibungen häufen sich – vor allem im Vertrieb, den Gupta bisher allein bewältigte. Die Arbeitsbedingungen, wie sie im viralen Beitrag beschrieben werden, finden sich in den Inseraten nicht. Gut möglich also, dass der Bewerbungsprozess weiterhin die erste echte Warnung enthält.
4. Zwischen Erfolg und Selbstausbeutung

Der Umsatz steigt, neue Jobs entstehen – und Gupta belohnt sich selbst mit einem neuen Gadget: einem mechanischen Keyboard, Modell Nuphy Air75. Ob das Upgrade bei seinen Kollegen ebenfalls Begeisterung auslöst, bleibt offen. Denn mechanische Tastaturen sind bekannt für ihre Lautstärke – und das in einem Büro mit langer Arbeitszeit.
Die Frage bleibt: Ist Greptile ein Beispiel für gnadenlosen Gründergeist oder ein warnendes Beispiel für Selbstausbeutung im Tech-Zeitalter? Fest steht: Gupta polarisiert – nicht nur mit seinen Worten, sondern auch mit dem Bild eines jungen Unternehmens, das ohne Kompromisse wachsen will. Ob dieser Kurs auf Dauer tragfähig ist, wird sich noch zeigen.