
In einer Zeit, in der Inflation, Wohnungsmangel und soziale Ungleichheit viele Menschen täglich belasten, gibt es Orte, die Hoffnung schenken – auch wenn sie unscheinbar wirken. Einer dieser Orte liegt in Kiel: ein Sozialkaufhaus mit dem Namen „Echt. Gut.“.
Wer hier zum ersten Mal durch die Tür tritt, merkt schnell, dass es um weit mehr geht als um gebrauchte Möbel und Kleidung. Hier kämpfen Menschen nicht nur mit dem Alltag, sondern auch für eine gerechtere Welt. Was dieses Projekt so besonders macht, zeigt sich allerdings erst auf den zweiten Blick – und bei jenen, die hinter den Kulissen wirken
1. Ein Ort der Begegnung – und des Stillstands

Von außen wirkt das Kieler Sozialkaufhaus fast wie ein normales Geschäft. Menschen kommen und gehen, stöbern durch Regale, bezahlen an der Kasse. Doch wer hier eine Weile bleibt, spürt: Viele dieser Kunden kommen nicht nur wegen der günstigen Preise, sondern wegen der Würde, die ihnen hier entgegengebracht wird.
Für manche ist der Besuch ein Stück Normalität in einem von Verzicht geprägten Alltag. Ob Rentner, Alleinerziehende oder Studenten – das Publikum ist so vielfältig wie die Geschichten, die sie mitbringen. Der wahre Zauber dieses Ortes liegt in den stillen Momenten zwischen den Regalen.
2. Wenn Reparieren Hoffnung bedeutet

Nicht alles, was im Kaufhaus abgegeben wird, ist auf den ersten Blick brauchbar. Und genau hier beginnt ein Teil der Magie: Möbel werden abgeschliffen, Scharniere ersetzt, Stoffe neu vernäht. Was andere weggeworfen hätten, wird hier mit handwerklichem Geschick wieder zum Leben erweckt. Es ist ein stiller Akt des Widerstands gegen die Wegwerfgesellschaft – und für die Mitarbeitenden zugleich eine persönliche Bestätigung.
Besonders für Menschen wie Pit Lohse, der nach Jahren der Arbeitslosigkeit wieder einen Sinn in seinem Alltag gefunden hat. Für ihn ist jede reparierte Kommode auch ein Stück Selbstvertrauen, das zurückkehrt.
3. „Aus wenig viel machen“ – ein Lebensmotto

Für Heinke Koriath, die Leiterin des Kaufhauses, ist ihr Motto mehr als nur ein Slogan: „Aus wenig viel machen“ ist ihr täglicher Antrieb. In Zeiten, in denen viele Menschen mit finanziellen Sorgen kämpfen, will sie nicht nur verkaufen, sondern Perspektiven bieten. Die Einrichtung funktioniert deshalb nicht nur als Kaufhaus, sondern auch als Gemeinschaft, in der Respekt und Wertschätzung an erster Stelle stehen.
Sie glaubt an die Kraft von Empathie – und daran, dass jeder Mensch, egal wie tief er gefallen ist, eine neue Chance verdient. Dieses Prinzip trägt nicht nur das Kaufhaus, sondern auch die Menschen darin.
4. Kleine Preise – große Wirkung

Wer das erste Mal das Preisschild in diesem Sozialkaufhaus liest, ist oft überrascht: Ein Esstisch für zehn Euro, ein Wintermantel für fünf. Was für manche wie ein Schnäppchen wirkt, ist für viele Besucher die einzige Möglichkeit, sich mit dem Nötigsten auszustatten. Gerade in Zeiten steigender Lebenshaltungskosten sind diese Preise oft das Zünglein an der Waage zwischen Teilhabe und Verzicht.
Doch trotz der niedrigen Summen bedeutet der Einkauf hier für niemanden Verlust an Würde. Im Gegenteil: Es ist ein Ort, an dem Bedürftige ernst genommen werden – und sich nicht verstecken müssen, wenn sie sparen.
5. Das System hinter dem Chaos

Was für Besucher oft wie eine wilde Sammlung aus Secondhand-Waren wirkt, folgt in Wahrheit einem ausgeklügelten Prinzip: Nichts soll verschwendet werden. Jedes Teil, das hier landet, wird geprüft, sortiert und – wenn nötig – repariert. Dabei zeigt sich: Hinter jeder zerkratzten Kommode und jedem ausgedienten Stuhl steckt Potenzial.
Die Mitarbeitenden sind es, die aus diesen Dingen etwas Neues schaffen – und oft auch sich selbst neu entdecken. Denn viele von ihnen haben zuvor lange Zeit keine Arbeit gehabt und finden hier wieder Struktur, Stolz und einen Platz in der Gesellschaft.
6. Social Media als Rettungsanker

Während in den Verkaufsräumen Möbel aufgebaut werden, läuft im Hintergrund eine andere Art der Arbeit: Kim Hase, zuständig für Social Media, sorgt dafür, dass die Öffentlichkeit von all dem erfährt. Täglich postet sie Aktionen, Spendenaufrufe und persönliche Geschichten auf Instagram – und trifft damit oft mitten ins Herz.
Was zunächst nach einer einfachen PR-Aufgabe klingt, ist in Wahrheit emotionale Brückenarbeit. Denn viele Menschen, die sich online angesprochen fühlen, haben nie zuvor von der Arbeit der Stadtmission gehört. Kim schafft es, mit Einfühlungsvermögen und Kreativität, ein neues Bewusstsein für das „Echt. Gut.“-Projekt zu schaffen.
7. Wenn Hilfe Kreise zieht

Es sind nicht nur Einzelpersonen, die hier profitieren. Viele Besucher berichten, wie sie durch das Kaufhaus nicht nur materielle Hilfe erhalten haben, sondern auch neue Bekanntschaften, Beratung oder sogar Jobs. Das Projekt hat sich über die Jahre zu einem kleinen Mikrokosmos entwickelt, in dem Geben und Nehmen gleichwertig sind.
Die Dinge, die hier verkauft werden, tragen Geschichten – und manchmal geben sie sogar neue Geschichten zurück. Wer mit dem Gedanken kommt, nur ein paar Tassen zu kaufen, verlässt den Ort oft mit einem Lächeln – und dem Gefühl, dass in dieser Welt doch noch Platz für Menschlichkeit ist.